Aktuelles BAG-Urteil

Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte?

Aktuelles BAG-Urteil: "Überstundenzuschläge" für Teilzeitbeschäftigte?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer aktuellen Entscheidung vom 05.12.2024 (Az. 8 AZR 370/20) festgestellt, dass ein einheitlicher Schwellenwert für den Anspruch auf Überstundenzuschläge für Teil- und Vollzeitbeschäftige unwirksam sein kann. Nachfolgend geben wir einen ersten Einblick hinsichtlich der Auswirkungen auf Beschäftigte im Geltungsbereich des TVöD/TV-L

1. Bisherige Rechtslage im TVöD/TV-L
Im TVöD/TV-L wird in Bezug auf Überstundenzuschläge zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten unterschieden. Arbeiten Teilzeitbeschäftigte über ihre individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus, liegt Mehrarbeit vor, die nicht zuschlagspflichtig ist. Erst bei Überschreiten der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten können auch für Teilzeitbeschäftigte zuschlagspflichtige Überstunden entstehen. Diese unterschiedliche Behandlung im TVöD/TV-L war bisher durch die Rechtsprechung des BAG gestützt (Urteil vom 15.10.2021 - Az.6 AZR 253/19). Danach sei keine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten gegeben, da im TVÖD/TV-L für Mehrarbeit und Überstunden unterschiedliche Systeme vorhanden seien, die nicht ohne Weiteres verglichen werden können. Für andere Tarifbereiche hatte das BAG mangels Unterscheidung durchaus eine Diskriminierung bejaht.

2. Aktuelles BAG-Urteil
Das BAG hatte vor seiner Entscheidung vom 05.12.2024 die Frage, wann eine solche Unterscheidung von Teil- und Vollzeitbeschäftigten hinsichtlich der Gewährung von Überstundenzuschlägen rechtmäßig ist, dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. In seinem aktuellen Urteil ist das BAG den Vorgaben des EuGHs gefolgt und hat festgestellt, dass eine unterschiedliche Schwelle für die Gewährung eines Überstundenzuschlages Teilzeitbeschäftigte diskriminieren kann und damit unwirksam wäre. Damit sprach das BAG der klagenden Teilzeitbeschäftigten die tariflichen Überstundenzuschläge einer Vollzeitkraft zu. Zudem wurde eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zugesprochen, da die tarifliche Regelung zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts geführt hatte. In dem vorliegenden Fall waren mehr als 90 % der Teilzeitbeschäftigten im persönlichen Geltungsbereich des anwendbaren Tarifvertrages Frauen.

3. Auswirkungen auf den TVöD/TV-L
Mit dem Urteil vom 05.12.2024 haben sich das BAG bzw. der EuGH erstmal ausdrücklich zu einer möglichen Unwirksamkeit von einheitlichen Schwellenwerten für das Entstehen von Überstundenzuschlägen bei Teil- und Vollzeitbeschäftigten geäußert. Aufgrund des nun erweiterten Diskriminierungsschutzes von Teilzeitbeschäftigten ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass die bisherige zum TVöD/TV-L ergangene Rechtsprechung des BAG (siehe Ausführungen unter Punkt 1.) nicht mehr haltbar ist. In KAV-Mitteilungen wird dagegen die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung des BAG vom 05.12.2024 nicht zum TVöD/TV-L ergangen sei und somit keine Konsequenzen auf die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes habe. Die Urteilsgründe der BAG-Entscheidung vom 05.12.2024 liegen noch nicht vor, sodass eine abschließende Bewertung, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß sich die Entscheidung auf den TVöD/TV-L sowie auf weitere (Haus)Tarifverträge im Organisationsbereich der komba gewerkschaft auswirkt, derzeit nicht erfolgen kann.

Vorsorglich empfehlen wir Teilzeitbeschäftigten in begründeten Fällen mit Blick auf die tarifliche Ausschlussfrist die schriftliche Geltendmachung von Überstundenzuschlägen. Der formlose Antrag wäre mit dem Hinweis auf die aktuelle BAG-Rechtsprechung gegenüber dem Arbeitgebenden zu stellen. An dieser Stelle weisen wir darauf hin, dass im Rahmen von Gleitzeitregelungen bzw. flexiblen Arbeitszeitregelungen in der Regel weder bei Voll- noch bei Teilzeitbeschäftigten zuschlagspflichtige Überstunden im Tarifsinne entstehen. Desweitern müssen Überstunden ausdrücklich durch den Arbeitgebenden angeordnet werden.

4. Ausblick auf die anstehende TVöD-Tarifrunde 2025
Die Gewerkschaften haben unabhängig von der neuen Rechtsprechung eine Änderung der Regelungen für Überstundenzuschläge im TVöD gefordert. Danach sollen Teilzeitbeschäftigte bereits bei Überschreiten der individuell vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit Überstundenzuschläge erhalten. Über den weiteren Verlauf werden wir über unsere bekannten Kanäle berichten

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Zuschläge für Teilzeitbeschäftigte:

Musterantrag mit Erläuterungen
Mit der komba Mitgliederinfo [250 KB] hatten wir bereits über die aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 5.12.2024
(Az. 8 AZR 370/20) berichtet. Danach könnte ein einheitlicher Schwellenwert für Teil- und Vollzeitbeschäftigte für den Anspruch auf Zuschläge für Arbeitsstunden, die über die individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbracht worden sind (siehe § 7 TVöD/TV-L), unwirksam sein. Nachfolgend stellen wir zur Erleichterung der Geltendmachung möglicher Ansprüche einen Musterantrag samt Erläuterungen zur Verfügung.

Musterantrag muss individuell gestellt werden
Aufgrund der Komplexität der Entscheidung des BAG vom 05.12.2024 bedarf der Musterantrag einiger Erläuterungen und Hinweise. Bitte füllen Sie den Antrag erst nach genauer Durchsicht der Erläuterungen aus und prüfen Sie individuell, ob und welche möglichen Anträge Sie stellen können. Hierfür kreuzen Sie die jeweiligen Möglichkeiten an und fügen ggf. die entsprechenden Unterlagen bei.

Der Musterantrag enthält zwei in Betracht kommende Ansprüche:

1. Zuschläge für Arbeitsstunden von Teilzeitbeschäftigten, die über die individuell vereinbarte
Arbeitszeit hinaus erbracht worden sind

Für Teilzeitbeschäftigte können Ansprüche auf Erstattung von Zeitzuschlägen für Arbeitsstunden entstehen, die über die individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbracht worden sind. Wir weisen nochmals auf die Erforderlichkeit hin, dass solche Zuschläge nur entstehen können, wenn die zusätzliche Arbeit durch die/den Arbeitgebende/n ausdrücklich angeordnet worden ist. Auch die im Rahmen von flexiblen Arbeitszeitmodellen (Gleitzeit, variable Arbeitszeit) erbrachten zusätzlichen Arbeitsstunden stellen aufgrund fehlender Anordnung in der Regel keine Überstunden im Tarifsinne dar. Dies gilt ebenso für Arbeitsstunden, die innerhalb einer/eines durch Dienst- oder Betriebsvereinbarung geltenden täglichen Rahmenzeit oder wöchentlichen Arbeitszeitkorridors anfallen. Zudem entfällt ein Zuschlag, wenn für die zusätzliche Arbeit innerhalb der Ausgleichsfristen durch die/den Arbeitgebende/n Freizeit gewährt worden ist. Die Pflicht zum Nachweis von zuschlagspflichtigen Arbeitsstunden, die über die individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbracht worden sind, liegt bei den Beschäftigten, so dass in Betracht kommende Stunden mit Datum und Zeit anzugeben und dem Antrag beigefügt werden sollten. Die Gewährung von Zuschlägen kann auch für geleistete zusätzliche Arbeit gelten, die vor der Entscheidung des BAG entstanden ist. Hier ist jedoch die tarifvertragliche Ausschlussfrist zu beachten (z.B. § 37 TVöD/TV-L), wonach Ansprüche innerhalb von sechs Monaten schriftlich geltend gemacht werden müssen. Auf diesen Zeitraum ist die rückwirkende Geltendmachung von Zuschlägen zu begrenzen.

2. Entschädigung nach § 15 AGG wegen Diskriminierung
Durch die Nichtgewährung der Zuschläge für Arbeitsstunden, die von Teilzeitkräften über die individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbracht worden sind, kann darüber hinaus eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des
(weiblichen) Geschlechts vorliegen. Dies erfordert, dass innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten signifikant mehr Frauen als Männer beschäftigt werden. Deshalb kann nur dann, wenn die/der Arbeitgebende überwiegend Frauen beschäftigt, ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG entstehen. Für alle anderen Beschäftigten scheidet der Anspruch aus und ist in dem Musterantrag zu streichen. Das BAG hat in seinem aktuellen Urteil eine einmalige Entschädigungsleistung in Höhe von 250,00 € als ausreichend angesehen, sodass dieser Betrag als Mindestzahlung im Musterantrag enthalten ist. Der Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung unterliegt keinen tariflichen Ausschlussfristen, sondern dem AGG. Hiernach muss der Anspruch innerhalb von zwei Monaten ab Kenntnis der Diskriminierung gegenüber der/dem Arbeitgebenden schriftlich geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 4 AGG). Sofern der Antrag erfolglos bleibt, muss innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Antragstellung Klage erhoben werden (§ 61b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)). Aus diesem Grund sieht der Musterantrag auf Entschädigung eine Fristsetzung von drei Wochen vor. Läuft die Frist ohne Zahlung ab oder teilt die/der Arbeitgebende mit, dass keine Zahlung erfolgen wird, besteht die Möglichkeit sich an Ihre jeweilige komba Landesgewerkschaft zu wenden und bei Vorliegen der Voraussetzungen Rechtsschutz zu beantragen.

Weitere Informationen:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/diskriminierung-von-teilzeitbeschaeftigten-bei-ueberstundenzuschlaegen/
(BAG-Pressemitteilung; urteilsgründe liegen noch nicht vor)
https://pdf.komba.de/1734339846_EuGH_C-184-22_und_C-185-22_NJRE001581665.pdf
(EuGH-Urteil)

Den Musterantrag als Word-Datei (.docx) zur Bearbeitung finden Sie unter folgendem Link:
https://pdf.komba.de/1734604315_Antrag_auf_Erstattung_von_Ueberstundenzuschlaegen_und_gglfs_Entschaedigung_18122024.docx
Hier der Musterantrag als PDF [21 KB]

Download Mitgliederinfo der komba PDF [365 KB]

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